Die Ejército Zapatista de Liberación Nacional (EZLN) ist eine überwiegend aus Indigenas bestehende Organisation in Chiapas, einem der ärmsten Bundesstaaten Mexikos, die am 1. Januar 1994 mit einem bewaffneten Aufstand erstmals öffentlich in Erscheinung trat und sich seitdem mit politischen Mitteln für die Rechte der indigenen Bevölkerung Mexikos, aber auch generell gegen neoliberale Politik und für autonome Selbstverwaltung einsetzt.
Die EZLN war die erste linke Guerillabewegung, die nach dem Zusammenbruch der im sogenannten Ostblock zusammengeschlossenen sozialistischen Staatengemeinschaft in Erscheinung getreten ist. In ihren Comuniqués hat sie politische Ziele formuliert, die sich von den staatssozialistischen Vorstellungen gesellschaftlicher Veränderung durch ihre Bezugnahme auf Basisdemokratie unterscheiden. Durch die Nutzung des damals noch neuen Mediums Internet verbreiteten sich die poetischen, metaphernreichen Communiqués ihres Sprechers Subcomandante Marcos vor allem in westlichen Industrienationen. Insbesondere von der Bewegung gegen Neoliberalismus und kapitalistische Globalisierung wurden bzw. werden die Zapatist_innen als Vorbild gesehen und stark rezipiert.
Im Gegensatz zu anderen Guerillabewegungen geht es im Diskurs der Zapatist_innen nicht darum, die Macht im Staat zu übernehmen. Stattdessen betonen sie ihren basisdemokratischen Anspruch und zielen auf den allmählichen Aufbau autonomer Strukturen auf kommunaler, munizipaler und regionaler Ebene. Das PR-Geschick des mestizischen Sprechers der Rebellen Subcomandante Marcos, mit dem der Aufbau autonomer Strukturen, indigene Basisdemokratie, Geschlechtergleichheit und Ökologie einer internationalen Öffentlichkeit nahegebracht werden, führte zur Identifikation weiter Teile der globalisierungskritischen Bewegung. Wie diese fordert die EZLN Selbstbestimmung der Menschen und ruft zum weltweiten Kampf gegen die kapitalistische Globalisierung auf. Die EZLN hat, durchaus gewollt, großen Einfluss auf die Diskussion innerhalb der Internationalistischen Linken, insbesondere mit ihrer radikalen Machtkritik.
Einer der Grundgedanken der EZLN ist das „gehorchende Befehlen“, das Treffen von Entscheidungen im Sinne des Willens des Volkes.Ihr Motto „Eine andere Welt ist möglich“ wurde außerdem zum Slogan der No-Global Bewegung, insbesondere das Motto der Proteste gegen die G8 Gipfel in Genua und Heiligendamm und der Demonstrationen gegen die IWF-Tagung in Prag. Ein anderes Motto lautet „Fragend suchen wir den Weg“ und bezeichnet ihre Sicht des Verhältnisses von Theorie und Praxis.
Die EZLN lud zweimal zu intergalaktischen Treffen gegen Neoliberalismus und für Menschlichkeit. Zu ihrem ersten Treffen 1996 kamen ca. 3000 Teilnehmer aus mindestens 54 Ländern nach Chiapas. Um den internationalen Zusammenhang der Kämpfe zu betonen, lud man 1997 zum zweiten Treffen explizit nicht nach Mexiko, sondern ins europäische Spanien. Mit ihrem Aufruf ein kollektives Netzwerk all unserer Teilkämpfe und Widerständigkeiten zu schaffen, welches Unterschiedlichkeiten respektiert und Ähnlichkeiten anerkennt und so die Welt neu zu erschaffen, fanden die Zapatistas weltweit ebenso Widerhall bei neueren Bewegungen wie mit ihrem radikalen, jedoch auf Gewaltvermeidung bedachten Vorgehen. Die dort geknüpften Kontakte hatten im Februar 1998 die Gründung von Peoples Global Action (PGA), einem weltweiten Netzwerk zum Informationsaustausch und zur Aktionskoordination zur Folge.
In den vergangenen Jahren war die EZLN bemüht, ihrer zivilen Basis immer mehr Verantwortung zu übertragen und die militärische Struktur, die nach wie vor für die Sicherheit der Basisgemeinden zuständig ist, von den zivilen Verwaltungsstrukturen abzukoppeln.
Am 9. August 2003 wurden die sogenannten “Caracoles” gegründet, fünf regionale Verwaltungszentren, in denen die “Juntas der Guten Regierung” ihren Sitz haben. Die Juntas der Guten Regierung verstehen sich als rotierende, basisdemokratische Regierung, die für alle Belange der jeweiligen Region zuständig ist und auch die Anliegen von Anwohnern bearbeitet, welche nicht zapatistisch sind. Die Zapatist_innen erklärten den Aufbau der Autonomiestrukturen zum strategischen Schritt, um der ihrer Meinung nach ignoranten offiziellen Politik gegenüber der indigenen Bevölkerung Mexikos entgegenzutreten. Bereits seit 1995 existierten auf kommunaler Ebene 38 autonome Gemeinden, die nun in den fünf Regionen zusammengefasst wurden. Zur Autonomie gehören der Aufbau eines regierungsunabhängigen Gesundheits- und Bildungssystems, einkommenschaffende Projekte sowie Infrastrukturprojekte. Eine eigene Gesetzgebung, z. B. zum Schutz der Tropenwälder, ist in Arbeit. Die zapatistische Autonomie hat in mehreren mexikanischen Bundesstaaten Nachahmer gefunden.
eit dem Aufstand von 1994 und parallel zu ihren Bemühungen für den Aufbau autonomer Strukturen in Chiapas tritt die EZLN mit verschiedenen zivil-politischen Initiativen für eine Verbesserung der Lage der indigenen Bevölkerung, eine Sozialisierung der mexikanischen Volkswirtschaft und die Demokratisierung Mexikos ein.
Strukturell stellt die EZLN eine indigene Bauernmiliz dar. Einen wichtigen Anteil an der militärischen Struktur stellen die milicianos (Milizionäre), Kleinbauern, die weiter auf ihren Feldern arbeiten und im Bedarfsfall mobilisierbar sind. Den harten Kern stellen etwa 3000 insurgentes (“Aufständische”). Unterstützt und getragen wird diese Struktur von der base de apoyo (der zivilen Unterstützungsbasis), als der weitaus größten Gruppe (mehrere zehntausend). Das oberste Entscheidungsgremium der EZLN, die “Kommandantur” (CCRI-CG – Geheime revolutionäre indigene Komitees – Generalkommandantur), besteht aus Vertretern der Dorfgemeinschaften. Der Frauenanteil der zapatistischen Armee beträgt ungefähr ein Drittel.
Die EZLN wird nach wie vor bedroht und immer wieder angegriffen, einerseits von rechtsgerichteten Paramilitärs, denen die EZLN Verbindungen zum Militär und zur Regierung nachsagt, welche in der Vergangenheit auch belegt wurden, sowie von der Regierung selbst, aber auch von noch 1994 alliierten Bauernorganisationen, mit denen sich die zapatistischen Gemeinden inzwischen um ehemals gemeinsam besetztes Land streiten. Immer wieder zog sich die Führung der EZLN aus der Öffentlichkeit zurück, um sich auf eine drohende Eskalation des bewaffneten Konflikts vorzubereiten, trat aber zum Jahreswechsel 2008/2009 im Caracol Oventic wieder vor einem Publikum internationaler Unterstützer auf.
Im Dezember 2012 besetzten zehntausende Zapatist_innen zentrale Marktplätze von Ocosingo, San Cristóbal de las Casas und Las Margaritas, und liefen nach Comítan, alles Städte, die sie während des zapatistischen Aufstandes in 1994 eingenommen hatten.